Jörg Gebauer: Peter Corterier als ein Mit-Gründer der verschiedenen Seeheimer-Vorläufer: Die Konfrontation
mit der 68er-Generation konstituierte in der SPD einen Generationszusammenhang. Eine
persönliche Konfrontation mit der Offensive der neomarxistischen Bewegung ist das zentrale
Schlüsselerlebnis der Initiatoren des Seeheimer Kreises: für Hans-Jochen Vogel in München,
Günther Metzger in Hessen-Süd, Peter Corterier und Ernst Eichengrün als Führungsspitze
der Jungsozialisten vor dem Linksrutsch 1969. Jürgen Maruhn und Eichengrün hatten schon
1960 den SHB nach der Trennung vom SDS gegründet, haben aber auch dessen Radikalisierung
nicht verhindern können.
Das Verhältnis zur ersten Generation der Kanalarbeiter war kooperativ. Anlass, sich dazu als wo-
möglich „Gegenelite“ im Konflikt zu etablieren, hatten die Seeheimer nicht. Annemarie Renger,
die sowohl in der Führung des Seeheimer Kreises engagiert war als auch zur prominenten
Leitung der Kanalarbeitern gehörte, konstatiert, dass „kein politischer Gegensatz zwischen den
Seeheimern und den Kanalern“ bestand. Die Übernahme von Regierungsämtern vor allem
während der Kanzlerschaft Schmidts vollzog sich im Konsens mit den Kanalarbeitern, zumal die
Gegnerschaft zu der Parteilinken die Gruppierungen zusammenrücken ließ. Die eingeklagte
Diskussion um Grundsatzfragen führten die Seeheimer, während die Kanalarbeiter durch ihre
Stärke in der Bundestagsfraktion die personelle Unterstützung beisteuerten. Der „Kanal half“, so
die Einschätzung der (frühen Vorläufer-) Seeheimer. Günther Metzger beschreibt das Verhältnis
zwischen Kanalarbeitern und Seeheimern:
„Nach der Wahl Willy Brandts zum Bundeskanzler gab es in der Bundestagsfraktion eine Reihe
jüngerer Abgeordneter, die den Versuch unternahmen, über die sogenannten Kanalarbeiter
hinaus, die zweifellos die Mehrheit in der Bundestagsfraktion stellten, einen Kreis zu bilden, der
in Solidarität und Zusammenarbeit mit den Kanalarbeitern die politische Diskussion, die politi-
sche Sacharbeit und die Schaffung einer geistigen Grundlage für die politische Arbeit fördern und
ausbauen sollte. Den Kanalarbeitern war damals ja immer wieder zum Vorwurf gemacht worden,
daß sie in erster Linie einen Sauf-Club darstellten. Das war sicher nicht richtig. Ich habe sehr bald
im Umgang mit den älteren Mitgliedern der Fraktion erfahren, daß es um eine sehr solide Unter-
stützung einer Politik auf der Grundlage des Godesberger Programms ging. (...) Deshalb bildete
sich in der Fraktion zunächst ein Kreis jüngerer Abgeordneter (um Corterier & Metzger), zunächst
kritisch begleitet, auch misstrauisch begleitet von den Kanalarbeitern, später aber durchaus akzep-
tiert,der über die Fraktion hinaus auch versuchte, innerhalb der Partei diese Auseinandersetzung
zu führen.“
Jürgen Maruhn und Ernst Eichengrün bewerteten diesen "kooperativen Dualismus" bei den frühen
Seeheimern ähnlich wie Metzger. Auch Annemarie Renger bestätigte diese Arbeitsteilung (Zitat):
„Wenn etwas politisch umgesetzt werden sollte, war das nur mit den Kanalarbeitern möglich. Sie
brachten die Mehrheit in der Fraktion.“
Hans-Jürgen Wischnewski skizziert den anfänglichen Unterschied zwischen Kanalarbeitern und den
anderen (kooperativen) Seeheimer(Vorläufern): „Die Kanalarbeiter (...) waren ausgezeichnet in erster
Linie durch eine Kameradschaft, die dort gepflegt wurde - mit einer ausgeprägten Personalpolitik".
Vom linken Flügel (Heimann) hieß es: "Ein kleiner Kreis akademisch ausgebildeter Parteirechter, die
im Verlauf der 60er Jahre zu den Kanalarbeitern gestoßen waren, empfand das als Manko und schloß
sich ab 1972 in der Fraktion zum sog. `Vogel-Kreis´, zur Dienstags-Runde und in der Partei zum Godes-
berger Kreis (unter maßgeblicher Führung, Anleitung und Organisationskraft Corteriers) zusammen.“
Ernst Eichengrün:
hier einige Ergänzungen:
Zu dem Vorläufer-Kreis der Seeheimer gehörte auch - für Bayern gewiß nicht unwichtig - Bruno Friedrich.
Peter wurde 1969 beim Juso-Kongress nicht wiedergewählt - er hatte ohnehin nicht kandidiert. Noch vor Eintritt in die Tagesordnung wurde er einfach abgewählt, er konnte noch nicht einmal seinen Rechenschaftsbericht vortragen - ein eindeutiges Signal für die revolutionäre Wende der Jusos.
Er hatte den Wahlkreis Karlsruhe-Stadt mehrfach direkt gewonnen. Einige Male über die Landesliste , was ihm zuletzt nicht mehr gelang: Inzwischen war Eppler Landesvorsitzender!
Wesentlich war seit den frühen 60er Jahren sein transatlantisches Engagement. Nach Wehners Wende-Rede von 1960 hatte die SPD hier noch Nachholbedarf. Es ging ihm vor allem darum, Kontakte tief in die Reihen der amerikanischen, französischen und englischen Politiker zu knüpfen und zu vertiefen. Damit trug er wesentlich dazu bei, dort Verständnis für die Ostpolitik von Willy Brandt zu wecken - selbst in den Reihen der US-Jung-Republikaner, die ursprünglich selbst Nixons neuer Ost-Politik skeptisch gegenüber standen. Später hatte er auch Gelegenheit, die deutsche Politik in einer Anhörung des Außenpolitischen Ausschusses des Kongresses zu erläutern. Als Präsident der Nordatlantischen Versammlung, dem der NATO zugeordneten parlamentarischen Gremium , setzte er seine Arbeit fort. Später wurde er deren Gneralsekretär.
Nach der Zeit im Bundestag war er Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington, wo er diese Arbeit fortsetzen konnte. Nic ht nur zu den dortigen Politiekern sondern auch zu den außenpolitischen Planern in der Administration hatte er lange beste Kontakte.