Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden Impressum 
Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 0 Antworten
und wurde 415 mal aufgerufen
 Linksextremismus Newsletter / Hohenschönhausen
Gunter Weissgerber Offline




Beiträge: 626

22.06.2016 06:31
21.06.2016 Teil 1 Antworten

Presse und Internet - Linksextremismus und linksextreme Militanz sowie angrenzende Themen
zusammengestellt am 21.06.2016



Michael Köhler interviewt Klaus Schroeder: Gewalt im öffentlichen Raum. "Politiker sollten etwas vorsichtiger sein", DLF, 19.06.2016. http://www.deutschlandfunk.de/gewalt-im-...ticle_id=357661
„Wenn Regierungspolitiker Menschen pauschal als Pack bezeichneten, müsse man sich nicht wundern, wenn AfD-Funktionäre attackiert würden, sagte der Extremismus-Forscher Klaus Schroeder im DLF. Politiker der demokratischen Parteien sollten sich in der Wortwahl und in der Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen zurückhalten. […]
Je mehr man weiß über die historischen Umstände, je mehr man weiß über den Gegensatz von Demokratie und Diktatur, über das, was in Diktaturen welcher Couleur auch immer an Grausamkeiten geschehen ist, je mehr man darüber weiß, umso eher sind die Einzelnen auch gewillt, die Demokratie zu schätzen. Demokratieerziehung möchte ich das mal nennen. Die muss von klein auf beginnen, damit in einer zivilen Gesellschaft die Leute einen zivilen Umgang miteinander pflegen und nicht Ideologien auf den Leim gehen, die antizivile Verhaltensweisen propagieren.“



Anna Sophia Hofmeister und Maximilian Lutz: Deutschland verroht, Tagespost, 17. Juni 2016. http://www.die-tagespost.de/politik/Deut...t;art315,170287
„Ein Blick in die Statistiken zeigt: Links wie rechts steigt das Potenzial politisch motivierter Gewalt. […]
Politiker und Organisationen auf beiden Seiten des politischen Spektrums sehen sich in jüngster Zeit von Attentätern eingeschüchtert, die auch vor härterer Gewalt nicht zurückschrecken: Eine Patrone im Briefkasten des SPD-Politikers Heiko Maas, Handgreiflichkeiten gegen den Leipziger NPD-Kreischef Helmut Herrmann, und nicht zuletzt die Messerattacke gegen Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Zudem häufen sich Fälle, in denen Fenster von Parteigebäuden zerstört oder Autoreifen zerstochen werden. Laut einem Artikel der Zeitung „Die Welt“ zählt die AfD selbst mehr als 800 Fälle von Straftaten gegen Einrichtungen oder Mitglieder der Partei. In einem Artikel, der die Gewalttaten gegen Politiker in Deutschland auflistet, geht die „Huffington Post“ davon aus, dass Die Linke noch häufiger attackiert worden sei als die AfD. […]
Im extremistischen Agieren beider Seiten stellt Uwe Backes, Professor am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden, Unterschiede fest: „Langjährige Vergleiche zeigen, dass rechte Täter häufiger expressiv-hassgeladen agieren, Gewalt nicht selten enthemmt unter Musik- und Alkoholeinfluss und als Ausdruck mangelhafter Affektregulierung ausüben“, sagt er gegenüber der „Tagespost“. Linksmotivierte Täter handelten häufiger instrumentell-zielorientiert, seltener aber von Angesicht zu Angesicht mit dem Opfer. „Häufig ist das Handeln aus der Distanz wie das Werfen von Pflastersteinen am Rande von Kundgebungen.“ […]
Politischer Extremismus lehnt den demokratischen Verfassungsstaat ab, will ihn beseitigen oder einschränken. In der Regel zeichnet er sich durch Freund-Feind-Stereotypen aus, pflegt ein hohes Maß an ideologischem Dogmatismus und kann unterschiedliche Meinungen und Interessen nur schwer ertragen.
„Links will die Revolution, den Kapitalismus abschaffen, das Gleichheitsprinzip realisieren und sieht sich in Kenntnis der alleinigen Wahrheit“, sagt Werner Weidenfeld, Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung (CAP) und Professor für Politische Wissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München, gegenüber dieser Zeitung. „Rechts betreibt Nationalismus und ist geprägt von der Annahme, man könne Identität gewinnen indem man alles auf einen nationalistischen Filter reduziert.“ Die Überzeugung wiederum, alleine in Kenntnis der Wahrheit zu sein, verbinde Rechts- und Linksextreme, so Weidenfeld.
Die Repräsentanten beider Ausprägungen des Extremismus bekämpfen sich gegenseitig – brauchen sich aber auch: „Der Zusammenhang wird aufgrund des hohen Anteils der Konfrontationsdelikte ersichtlich, also von Taten, die zu erheblichen Teilen gegen politische Gegner gerichtet sind“, erklärt Uwe Backes. Der Anteil der Konfrontationsdelikte „ist auf beiden Seiten beträchtlich, bei der linksmotivierten Gewalt noch höher als bei der rechtsmotivierten.“ Ein Teil der Gewalt erkläre sich damit auch aus dem gewaltsamen Interagieren verfeindeter Gruppen. […]
Der Meldedienst verzeichnet für das vergangene Jahr 1 354 Körperverletzungen infolge linksmotivierter Gewalt und 1 177 Körperverletzungen infolge rechtsmotivierter Gewalt – für 2014 wurden noch 924 Körperverletzungen (links) und 900 (rechts) notiert. Dabei haben die Rechtsradikalen 2015 offenbar härter zugeschlagen: Denn 45 Prozent der körperlich verletzten Personen wurden durch rechtsmotivierte Gewalt verletzt. Die Opfer linksmotivierter Gewalt liegen bei 37,7 Prozent. […]
In der Gesellschaft bewirken politisch motivierte Straftaten ein unterschiedliches Empörungspotenzial. „Angriffe gegen schwache Minderheiten lösen größere Empörung aus als solche gegen Staatsrepräsentanten“, sagt Backes. Die sich häufenden Angriffe gegen Mitglieder „rechter“ Parteien fänden dagegen in der Öffentlichkeit wenig Beachtung, meint er.
Weidenfeld bestätigt, dass es Phasen gibt, in denen intensiver gegen rechts vorgegangen wird, „weil das Gewaltpotenzial von Rechten als noch gefährlicher angesehen wird“. Gleichzeitig könne man sehen, dass links „manchmal gefälliger, intellektueller“ auftrete. Verfolgen sie ein intellektuelles Ziel, so Weidenfeld, würden Linke als weniger brutal angesehen. […]
Der Schlüssel zur Gewaltprävention liege daher in der Deutungs- und Erklärungsleistung von Politik und kulturellem Leben.“



Rudolf Stumberger: Regionales Bayern. Wenn Unbeteiligte zwischen die Fronten geraten http://www.welt.de/regionales/bayern/art...en-geraten.html
„Behörden klagen über zunehmende Gewalt durch extreme Linke und Rechte. Immer öfter werden Polizisten, Helfer und Unbeteiligte zu Opfern – weil sie den Tätern zufällig in die Quere kommen.
Ein Sonntagabend um 22 Uhr in der Münchner Westendstraße Anfang Juni. Vor dem Anwesen Nummer 49 steht ein geparktes Auto, ein Hyundai 20. Plötzlich tauchen einige Gestalten auf, zerstechen einen Reifen, zerkratzen den Lack und sprühen ein A für "Anarcho" auf den Wagen.
Die Täter sind eine Gruppe von "Antifaschisten", sie will rechtsextreme Aktivisten aus dem Viertel vertreiben, die in dem Keller des Hauses eine illegale Disco betreiben.
Am nächsten Tag schreibt die "antifa" im Internet: "Nachdem die Neonazis selbst wohl in ihrer Wohnung zu Gange waren und leider auch nicht absehbar war, dass sie in näherer Zukunft wieder auftauchen würden, wurde kurzerhand ihr Auto (Fürstenfeldbrucker Kennzeichen) zum Ziel unserer Abneigung gegen rechtes Gedankengut." […]
Auf die verstärkte Mobilmachung von Rechten und Neonazis reagiert die extreme Linke ihrerseits mit Aktionen. So hat sich im Jahr 2015 die Zahl linker Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr mit 104 Fällen von Körperverletzung fast verdreifacht, im ersten Quartal dieses Jahres gab es 22 weitere Fälle von Körperverletzungen. […]
Dass mitunter völlig Unbeteiligte zu Opfern werden, zeigt das Beispiel aus dem Münchner Westend. Das Auto, das Linksextremisten demolierten, gehörte einer 24-jährigen Studentin aus Fürstenfeldbruck. Sie hat mit der rechten Szene überhaupt nichts zu tun.“



Dirk-Oliver Heckmann interviewt Klaus Schroeder: Politologe hält "Mitte"-Studie über Fremdenfeindlichkeit für belanglos, Deutschlandfunk, 15.06.2016. http://www.deutschlandfunk.de/studie-die...ticle_id=357314
„Die Fragen seien häufig suggestiv gestellt, die Untersuchung insgesamt sei von Interessen geleitet und völlig überzeichnet. […]
Der Hauptteil der Studie liegt darin, rechtsextreme Einstellungsdimensionen zu ermitteln. Und hier hat man verschiedene Dimensionen, von Befürwortung der Diktatur bis Verharmlosung des NS. Und fast alles ist im kleinen einstelligen Bereich, die Zustimmungsraten. Nur beim Chauvinismus, Großmachtstreben und Ausländerfeindlichkeit haben wir höhere Werte zwischen 16 und 20 Prozent. Aber da sind dann Fragen dabei, wir sollten Mut zu einem starken Nationalgefühl haben, Deutschland sollte seine Interessen energisch durchsetzen und sollte Macht und Geltung endlich bekommen, was ihm zusteht. Das sind Fragen, da stimmen sehr viele zu, die nicht unbedingt rechtsextrem sind. Und bei der Ausländerfeindlichkeit sehen wir eine Frage, die ist typisch für die Suggestion, die hier gestellt wird, nämlich: "Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen." Nun weiß ja kein Mensch, warum die hier herkommen. Also würde jeder sagen, ja wahrscheinlich gibt es welche, die wollen den Sozialstaat ausnutzen, andere wiederum nicht. Wenn aber die Befragten gezwungen werden, auf eine pauschale, generalisierte Frage zu antworten, dann haben sie nicht viele Möglichkeiten. Wir haben etwa fünf Prozent der Befragten, die als rechtsextrem eingestuft werden, 7,6 im Osten, 4,8 im Westen. Das ist der geringste Wert, der bei diesen Forschern auch je ermittelt wurde. Das wird überhaupt nicht erwähnt. […]
Aber auch hier unterstelle ich mal, dass die meisten, die zugestimmt haben, differenziert antworten würden, wenn sie gefragt werden, bin ich gegen Muslime generell oder bin ich nur gegen die, die den Islam politisch verstehen und die auch Gewalt anwenden wollen. Ich glaube, eine quantifizierende Studie kann so was qualitativ gar nicht ermitteln. […]
Wir haben das in unserer Linksextremismus-Studie ja auch festgestellt, dass die Gewaltbereitschaft bei Leuten, die extreme oder radikale politische Auffassungen vertreten, sehr hoch ist. Was heißt sehr hoch? Es sind dann neun bis 15 Prozent, die politisch motivierte Gewalt befürworten. Das ist da und das hängt sicherlich auch mit den Auseinandersetzungen zusammen, die wir haben, mit den Schlägereien, auch mit der Silvesternacht in Köln, wo ja eine sehr absurde Diskussion einsetzte, ob deutsche Männer zu verweichlicht sind, den Frauen beizustehen. Das hat alles einen Niederschlag gefunden in den Äußerungen, dass man dann auch seinen eigenen Schutz mit Gewalt suchen soll. Aber - und das ist das Gefährliche daran - es drückt auch aus, dass der Staat, dass die Sicherheitskräfte, die Polizei nach Meinung dieser Leute versagt hat. Und dass man sich jetzt selbst schützen muss. Das darf nicht einreißen. Wir dürfen hier nicht amerikanische Verhältnisse bekommen, dass nachher jeder denkt, er muss sich bewaffnen. […]
Wir haben in der Tat unter männlichen Jugendlichen in Ostdeutschland einen hohen Anteil von Personen, die sehr rechts eingestellt sind. Im Westen sind es oft die Älteren gewesen, die immer weniger werden. Das ist eine Population, die gewaltbereit ist auch. Und wir können nur hoffen, dass die eingedämmt wird. Das hängt auch damit zusammen, dass die Demokratie dort nicht angekommen ist, dass die DDR immer noch verharmlost wird und damit auch eine Diktatur. Hier muss man aufklären, hier muss man entgegenwirken, damit nicht eine neue rechtsextreme Partei, ausgehend vom Osten, wieder in Deutschland stärker wird.“

http://www.mdr.de/nachrichten/politik/in...s-islam100.html



Jasper von Altenbockum: Was ist Rechtsextremismus? Die enthemmten Wissenschaftler, FAZ, 17.06.2016. http://www.faz.net/aktuell/politik/harte...r-14293455.html
„Leipziger Forscher sehen die deutsche Gesellschaft alle zwei Jahre am Rande des Faschismus. Auch jetzt haben sie eine „enthemmte Mitte“ ausgerufen. Dabei ist es vor allem eine Gruppe, die enthemmt ist: sie selbst. Eine Analyse. […]
Die Fragen haben es in sich. Nur die Fragen zum Antisemitismus, zum Nationalsozialismus und zum Sozialdarwinismus lassen wirklich eindeutige Schlüsse zu. Um Antisemitismus zu messen, wird zum Beispiel gefragt: „Die Juden arbeiten mehr als andere Menschen mit üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen.“ Oder: „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß“. Zum Nationalsozialismus wird etwa gefragt: „Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten.“ Zum Sozialdarwinismus: „Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen.“
Die Fragen zum Chauvinismus, zur Fremdenfeindlichkeit und zur Diktatur-Anfälligkeit sind dagegen stark interpretationswürdig. „Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland“ – ist also die ganze Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ein chauvinistisches Glanzstück? Ist es also wirklich ein Zeichen von Chauvinismus, wenn man „voll und ganz“, aber „überwiegend“ zustimmt? Oder: „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ – inwiefern ist es ein Zeichen von Fremdenfeindlichkeit, wenn man der Feststellung in einer Zeit zustimmt, in der viele Bewerber aus genau diesem Grunde abgewiesen wurden? Oder: „Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform“ – ist es eine Überraschung, dass im Osten Deutschland auf diese Feststellung häufiger ein „Ja“ kommt als im Westen? Aber ist es nicht eine linksextremistische Diktatur gewesen, an die ein solches Ja erinnert? […]
Zur Ermittlung von Gewaltbereitschaft lautete eine Frage: „Ich würde selbst nie körperliche Gewalt anwenden. Aber ich finde es gut, wenn es Leute gibt, die auf diese Weise für Ordnung sorgen.“ Ist man also ein potentieller Gewalttäter, wenn man Ordner und Polizisten schätzt? Ein anderes Beispiel: „Ich bin in bestimmten Situationen durchaus bereit, auch körperliche Gewalt anzuwenden, um meine Interessen durchzusetzen.“ Was heißt „in bestimmten Situationen“? Auf der Antifa-Demo gegen Pegida? Nachts, wenn meine Frau angegriffen wird? Oder auf der Kölner Domplatte? […]
Wie es dazu kommen kann, dass aufgrund einer solch dürftigen empirischen Grundlage die „rechte“ politische Landschaft sortiert wird, lässt sich vor allem durch das theoretische Rüstzeug der Leipziger Forscher erklären. Für sie ist die „Mitte“ nicht der „Schutzraum der Demokratie“, sondern selbst ein Hort für ein „großes antidemokratisches Potenzial“. Nur die Linke ist dagegen offenbar immun. […]
Doch die Leipziger Arbeitsgruppe geht mit Adorno, Horkheimer, Marcuse und Fromm ihren antifaschistischen Weg, der unter den Deutschen den „autoritären Charakter“ aufspüren will. Sie fragen deshalb auch, was die Deutschen von der Feststellung halten: „Unruhestifter sollten deutlich zu spüren bekommen, dass sie in der Gesellschaft unerwünscht sind.“ Wer das bejaht, zeigt seinen ganzen konformistischen Autoritarismus! Wen meinen sie aber nun mit „Unruhestifter“? Den Blockupy-Sympathisanten, der in Frankfurt einen Polizisten niedersticht? Oder den Rechtsextremisten, der „Ausländer raus“ skandiert? Ist es in einem Fall eine „autoritäre Einstellung“, im anderen Fall nicht, wenn man sich wünscht, dass beide kräftig eine auf die Mütze bekommen?
Oder was soll die Frage danach: „Bewährte Verhaltensweisen sollten nicht in Frage gestellt werden.“ Ist es autoritär und konformistisch, gegen Hasskultur im Internet zu sein, weil sich Höflichkeit doch im großen Ganzen bewährt hat? Oder zeugt es etwa von einem autoritären Charakter, wenn man hartnäckig an Fragebögen und am Gedankengut von Marxisten festhält, weil sie sich „bewährt“ haben?“



Peter Grimm: “Enthemmte Mitte”?, Sichtplatz, 16. Juni 2016. http://sichtplatz.de/?p=6140
„Allerdings zeigt dies nicht zwingend, wie die alarmistischen Interpreten des Zahlenwerks beweisen wollen, wie sehr weite Teile der Gesellschaft nach rechts gerückt sind. Es zeigt vielmehr, dass sie sich ihre vielfältigen Traditionen, Sitten, Gebräuche und vor allem die Freiheit, diese ohne Bedrohungen und Übergriffe auszuleben, nicht aus Rücksicht auf die Vorschriften des Propheten und die Bräuche Arabiens beschneiden lassen möchten. Und sie zeigt auch, dass der in Medien, Kultur und Publizistik gepflegte und gern öffentlich geförderte Stil der eher simplen Volkserziehung zu mehr “Vielfalt”, “Multikulturalität” etc. mehr und mehr das Gegenteil des Gewünschten erreicht. Denn Rücksichtnahmen auf islamische Befindlichkeiten sind kein Ausdruck von Multikulturalität. […]
Fast zeitgleich zu der Studie der Leipziger Wissenschaftler wurde in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Allensbach veröffentlicht. Für eine große Mehrheit der Bundesbürger gehört demnach der Islam nicht zu Deutschland. Lediglich 13 Prozent der Befragten seien gegenteiliger Meinung. Auch hier gibt demnach die AfD mit dem gleichlautenden Passus in ihrem Programm eine Mehrheitsmeinung der Bevölkerung wieder, obwohl fast alle Leitmedien, Parteien und Regierung gegenteilig argumentierten.
Laut der Studie steht für eine ebenfalls große Mehrheit der Bürger fest, dass Religionsfreiheit ein Wesensbestandteil der Kultur hierzulande ist. Sie akzeptierten, dass jemand in Deutschland Anhänger des Islam sein könne wie des Christentums oder auch gar keiner Religion. Integration kann nach Meinung der weitaus meisten Bürger aber nur gelingen, wenn sie sich an der deutschen Kultur als Leitkultur orientiert. Drei Viertel der Bürger plädieren der Allenbach-Befragung zufolge dafür, dass bei aller Toleranz gegenüber anderen religiösen Überzeugungen, kulturellen Prägungen und Lebensweisen im Konfliktfall die deutsche Werteordnung Vorrang haben muss. Diese Ordnung ist nach Mehrheitsmeinung vor allem eine Freiheitskultur.
Mehrheitliche Ablehnung erfährt der Islam auch hier offenbar nicht als Religion, sondern als eine Ideologie, die in das Leben der ganzen Gesellschaft eingreifen will.“



Junk Science: Enthemmte Mitte oder enthemmte Akademiker?, sciencefiles, 16. Juni 2016. https://sciencefiles.org/2016/06/16/junk...mte-akademiker/
„Ganz nebenbei ist es in der empirischen Sozialforschung ein Muss, für die Skalen, von denen man behauptet, man habe sie gemessen, auch zu prüfen, ob man sie tatsächlich gemessen hat. Entsprechende Methoden finden sich unter dem Stichwort „Reliabilität“. Wenig verwunderlich finden sich in der Mitte-Studie, der anscheinend völlig enthemmten Leipziger Akademiker, keinerlei Hinweise darauf, dass ein Reliabilitätstest durchgeführt worden wäre, so dass man davon ausgehen muss, dass die Autoren zwar behaupten, z.B. Chauvinismus gemessen zu haben, ihre Operationalisierung der latenten Variable „Chauvinismus“ aber nicht reliabel ist, d.h. sie haben irgend etwas gemessen. […]
In der DDR war es üblich, Wissenschaft daran zu identifizieren, dass sie im ideologischen Einklang mit dem herrschenden Marxismus-Leninismus steht. Da einige der Autoren der Mitte Studie eine DDR-Sozialisation erfahren haben, hat sich bei Ihnen offensichtilch noch nicht der mit dem Ende der DDR verbundene soziale Wandel in der Wissenschaft herumgesprochen, der es unnötig macht, die eigenen Ergebnisse anhand von ideologischen Vorgaben aufzubügeln, um dann ein Fleißkärtchen von seinen Auftraggebern zu erhalten.“



Alexander Wallasch: Wieder erzählen die Medien Unsinn nach - wenn er nur paßt. Die enthemmte Analyse, Tichys Einblick, 16. Juni 2016. http://www.rolandtichy.de/kolumnen/alexa...h-heute/studie/
„Zu beantworten war ein Konglomerat aus Fragebögen und Erhebungen (dazu Seite 24 ff der Studie), von denen man allenfalls erahnen kann, wie sich die Befragten da hindurchgekämpft haben mussten. Erschöpfungszustände vorprogrammiert. Zwei Fragebögen, die leider nicht vorliegen, abgefragt von „Interviewern“.
Warum werden die Fragebögen nicht vorgelegt? Das ist mehr als mangelnde Transparenz. Es öffnet dem Verdacht Tür und Tor, dass hier nicht sauber gearbeitet wurde. Denn Fragebögen sind das Kernelement.
Aber „Kernelement der Mitte-Studien“ ist laut eignem Bekunden (S.30) der „Fragebogen zur rechtsextremen Einstellung“. Nur leider ist dieser Kern der ganzen 170-seitigen Arbeit auf dem Niveau einer Joko-und-Klaas-Harald-Schmidt-Sendung verfasst. Beispiele?“



Boris Dombrowski: Jeder zehnte Deutsche will einen Führer haben, B.Z., 15. Juni 2016. http://www.bz-berlin.de/deutschland/jede...n-fuehrer-haben
„Viele Wutbürger diskutierten nicht mehr: „Ihr Zorn macht sie dialogunfähig.“ Stattdessen fehle es in Deutschland derzeit „an Raum zur Debatte und an Mut zum Querdenken“.“



Christiane Jacke, dpa: Die enthemmte Mitte - Deutschland auf rechten Abwegen, Volksstimme, 15.06.2016. http://www.volksstimme.de/thema/mittwoch...n/1465999935000
„Einer der Studienautoren, Oliver Decker, sagt, es sei eine Verschiebung zu beobachten - weg von althergebrachten rechten Positionen hin zu Aggressionen gegen einzelne Gruppen. Auch weil solche Aussagen gesellschaftlich auf etwas mehr Akzeptanz treffen als etwa eine Verherrlichung der NS-Zeit. Der Rechtsextremismus-Experte Timo Reinfrank erklärt, es gehöre zum Modernisierungskurs der Rechten, sich weg zu bewegen vom verpönten Erbe des Rechtsextremismus hin zu neuen Mobilisierungsparolen.“



tos: Dokumentiert. »Enthemmte Mitte«: Wie die Studie kommentiert wird, Neues Deutschland, 16.06.2016. https://www.neues-deutschland.de/artikel...tiert-wird.html
„Die »Volksstimme« etwa schreibt, »die Leipziger Studie ist nicht ganz so wissenschaftlich objektiv, wie sie daherkommt. Nicht nur, weil die Stiftungen von Grünen und Linken sie bezahlen. Auch die Unvoreingenommenheit der Verfasser lässt sich anzweifeln. Oliver Decker entschuldigte zum Beispiel in einem ›Zeit‹-Interview Krawalle von Links-Chaoten in Leipzig als Reaktion auf Provokationen von Polizei und Rechtsextremen. Angesichts von 69 verletzten Polizisten behauptete er gar, linke Gewalt sei nie Gewalt gegen Personen. Die Bewertung von Antworten in der Studie ist überdies dubios: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bewertet die meisten Asylanträge negativ. Zu behaupten, dass meistens kein Asylgrund vorliegt, gilt trotzdem als Indiz für rechtsextremistische Neigungen. Fraglich ist schließlich der Befund, dass die Mitte, die 2014 ›stabilisiert‹ war, heute ›enthemmt‹ ist. Erstaunlich ist eher, dass, wie Herausgeber Elmar Brähler einräumt, trotz Flüchtlingskrise die Ausländerfeindlichkeit nicht gestiegen ist.«“

http://www.inforadio.de/programm/schema/...1606/31208.html

Birgit Marschall: Studie "Die enthemmte Mitte". Bildung hilft, RP, 15. Juni 2016. http://www.rp-online.de/politik/deutschl...n-aid-1.6049465
„Die Leipziger Forscher stellen eine Verrohung der Diskussion fest, einhergehend mit einer heute deutlicheren Spaltung der Gesellschaft. Denn auf der anderen Seite gibt es auch positive Entwicklungen: Ausländerfeindlichkeit, deutscher Chauvinismus und Antisemitismus haben im Zeitverlauf zumindest nicht weiter zugenommen, weil die Zahl derer, die auch dagegen halten, größer geworden ist.
Je höher der Schulabschluss desto geringer sind die Werte bei den rechtsextremen Einstellungen. Bildung kann also helfen: Das lässt zumindest hoffen. Und: Rechte Einstellungen sind zwar überall verbreitet, aber Ostdeutschland hat ein spezifisches Problem. Insbesondere für die ostdeutschen Länder bedeutet das, dass sie endlich viel mehr Geld und Kraft investieren müssen, um in Schulen und Jugendeinrichtungen mit besserer Aufklärungsarbeit dagegen zu halten. „



Konrad Litschko: Kommentar Leipziger „Mitte“-Studie. Die Polarisierung als Chance, taz, 15. Juni 2016. http://www.taz.de/Kommentar-Leipziger-%E...tudie/!5310372/
„Es gibt einen Hoffnungsschimmer, der sich ebenfalls in der Studie verbirgt: Die Mehrheit dieses Landes tickt anders – und sie wächst. In diesem „demokratischen Milieu“ existiert ein hohes, sogar wachsendes Vertrauen in den Parlamentarismus, es will sich politisch einbringen und tut dies auch längst. Ein Blick in die Flüchtlingsunterkünfte dieses Landes, wo sich unzählige Ehrenamtliche engagieren, genügt.
Um aus der Hassspirale auszubrechen, braucht es also nur einen Perspektivwechsel. Statt der Agenda der Rechtsaußen hinterherzulaufen und den „Überfremdungssorgen“ mit Obergrenzendebatten entgegenzukommen, sollte die Politik ihren Blick wieder mehr auf die tatsächliche Mehrheit richten, die eine Willkommenskultur klar befürwortet – und praktiziert. Diese Gruppe aber muss lauter werden.“



Rainer Sütfeld: Dialog und Demokratie besiegen den Populismus, NDR Kultur, 19.06.2016. https://www.ndr.de/info/sendungen/kommen...s,angst152.html
„Schaut man die Studie mit dem Titel "Die enthemmte Mitte" aber genauer an, hat sich das Bild über die Jahre jedoch gar nicht so verändert, wie wir es - auch als Medien - wahrgenommen haben. Es gab diesen hässlichen, hasserfüllten Teil der Deutschen schon immer. Wir haben uns vielleicht nur ehrlicher gemacht. Und es gibt sogar schlicht positive Tendenzen, die bei der Lautstärke rechter Minderheit aber eher untergehen: Die abgefragte Ausländerfeindlichkeit etwa stieg in Ostdeutschland bis 2012 massiv an, hat sich seitdem fast halbiert und ist in der gesamten Republik trotz Flüchtlingszahlen nur unwesentlich gestiegen - auf 20 Prozent. Der Antisemitismus, der vor zwölf Jahren besonders im Westen stark war, hat sich statistisch halbiert. Einen Führer, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert, wollen zehn Prozent, eine Diktatur nur knapp sieben Prozent.
Eine andere Untersuchung der Universität Münster hat den langen, aber erfolgversprechenden Weg türkischstämmiger Bürger zur Integration gezeigt. Drei Generationen dauert das Ankommen, aber es kann bei allen Problemen gelingen. Wohl auch mit den neuen Heimatsuchenden. Was lehrt uns der Blick in den Spiegel? Eine Schönheitsoperation ist nicht unbedingt erforderlich, auch wenn wir unsere Makel nicht übersehen dürfen, eventuell rechts ein wenig abnehmen sollten.
Sprich: Folgt nicht den Schreihälsen, vertraut der Kraft von Dialog und Demokratie, hört den Schreihälsen zu, aber lauscht der stillen Mehrheit.“



Christian Kreutzer interviewt Detlef Pollack: "Merkwürdige" 3. Generation. Wie fundamentalistisch sind Deutschlands Türken?, t-online, 17.06.2016. http://www.t-online.de/nachrichten/deuts...generation.html
„Wie stark neigen unsere türkisch-stämmigen Mitbürger zum islamischen Fundamentalismus? Religionssoziologe Detlef Pollack von der Universität Münster hat die Frage im Rahmen einer Studie über Türkeistämmige erforscht - mit überraschenden Ergebnissen (hier geht's zur Studie).
Die Zustimmung zu fundamentalistischen Aussagen lässt unter Jüngeren immer stärker nach, hat Pollack herausgefunden - und doch gibt es ein Paradox.“ […]
Wir haben insgesamt vier Fragen gestellt, um dieses relativ komplizierte Konstrukt zu erfassen. Die erste Frage war, ob man der Meinung ist, dass man zurückkehren sollte zu den Gesellschaftsverhältnissen der Zeit Mohammeds. Wenn man versucht, Fundamentalismus zu definieren, ist das ein ganz wesentliches Merkmal. Das bejaht ungefähr ein Drittel. […]
Zweitens gehört dazu, dass das, was man als Fundament ansieht, absolut gesetzt wird. Ist man also der Meinung, es gibt nur eine wahre Religion und würde man bereit sein, die religiösen Gebote über die Gesetze des Staates zu stellen? 47 bis 50 Prozent, also knapp die Hälfte sagen dazu ja. Schließlich gehört zum Fundamentalismus nicht nur der Anspruch auf Exklusivität, sondern auch, dass man sagt: Das ist die Lösung für alle Probleme, eigentlich müssten alle Muslime sein. Die abgefragte Aussage lautete: Nur der Islam ist in der Lage die Probleme unserer Zeit zu lösen. Das halte ich für ein strenges Kriterium von Fundamentalismus.
Wenn man alle Aussagen zusammen nimmt, hat man einen Anteil von 13 Prozent der Türkeistämmigen, die allen vier Aussagen zustimmt. Man könnte sagen, hier handelt es sich um eine Art verhärtete fundamentalistische Einstellung.
Fundamenatlismus ist stärker ein Phänomen der ersten Generation, also derjenigen, die in der Türkei groß geworden und als Erwachsene nach Deutschland gekommen sind. Diese hängen stärker fundamentalistischen Einstellungen an, als die Angehörigen der zweiten und dritten Generation, die in Deutschland geboren sind. […]
Der Islam ist dann jenes kulturelle Medium, mit dem man seine eigene Identität verortet, indem man ihn verteidigt. Man entwickelt ein idealisiertes Bild vom Islam und beharrt darauf, es gebe im Islam keine Gewalt, keine fundamentalistischen Tendenzen oder auch keine Benachteiligung der Frau.“



Roger Letsch: Der Islam, der Fussball und die Angst vorm Elfmeter, Achse des Guten, 17.06.2016. http://www.achgut.com/artikel/wird_der_f...lamismus_retten
„Woher nur kenne ich dieses unbestimmte Gefühl? Aus der DDR, glaube ich. Die Polarisierung in Gut und Böse, das Lagerdenken, entweder Nazi oder Kommunist sein zu müssen, das Gefühl, zu ersticken. Nicht nur an der schlechten Luft, sondern an den Konventionen, dem Eingesperrt sein, auch der Langeweile. […]
Ein anderes ewiges DDR-Thema war die „unverbrüchliche Solidarität mit den unterdrückten Völkern der Welt“, etwas, das man einfach mal so glauben sollte, weshalb man auch von Religionsersatz sprechen kann – und wir genau beim Thema sind, der Religion und der mit ihr assoziierten „Political Correctness“. […]
Dann kam der 11. September 2001 und alles war anders. Seit diesem Tag bestimmt eine einzige Religion die Debatte in Deutschland, der Islam. Der Islam war plötzlich der universelle Maßstab für Toleranz, für Demokratie, für Gastfreundschaft, für Demütigung, für Nationalismus, für Sozialstaat und ziviles Zusammenleben geworden. Menschen, die mit Religionen nichts am Hut haben, müssen heute darauf achten, religiöse Gefühle nicht zu verletzen. Träger katholischer Gesundheitseinrichtungen, die es teils schon seit Jahrhunderten gibt, reiben sich verwundert die Augen, weil die in ihren Räumen hängenden Kreuze plötzlich als unangemessen gelten und von muslimischen Patienten von der Wand gerissen werden. Weihnachtsmärkte werden zu respektvollen Wintermärkten, die Tage, da das Schwein noch als Glückssymbol in Deutschland galt, scheinen gezählt und Versicherungen stufen Karikaturisten in eine höhere Risikogruppe als blinde Hochseilartisten. […]
Früher taten sich Eltern zusammen, um Klassenräume zu renovieren, den Pausenhof umzugestalten, die Einstellung neuer Lehrer zu fordern oder für die Einrichtung eine Computer-Raumes zu kämpfen. Heute räumen sie widerspruchslos einer Religion – und zwar genau einer – das Feld und helfen dem Laizismus noch beim packen. Denn darauf läuft es immer wieder hinaus, wenn es um Gebetsräume geht. So geschehen an der TU Dortmund, wo aus dem für alle Studenten eingerichteten „Raum der Stille“ erst unverschleierte Frauen und dann alle Nichtmuslime hinausgeworfen wurden. Seltsam nur, dass erst die Schließung des Raumes von den Muslimen als Diskriminierung und islamophober Angriff verstanden wurde. Diskriminierung, so lernt der Muslim hierzulande, ist immer das Unrecht, das er – und nur er – als solches empfindet!“





Nathalie Arendt: Radikalisierte Jugendliche erkennen - Seminare für Lehrer, WDR, 20.06.2016. http://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebie...hulung-100.html
„Das Berufskolleg Ostvest in Datteln hat sich schon früh entschieden, an solch einem Seminar teilzunehmen, obwohl die Schule nicht mehr Probleme hat als andere. Mit zwei Anti-Gewalttrainern wollten sie erarbeiten, woran man erkennt, dass Jugendliche in den Extremismus abrutschen. "Das demonstrative Tragen eines Korans über den Schulhof. Aber auch ein anderer Wortschatz, Sprüche, Parolen, die einfach einstudiert sind, auswendig gelernt sind", sagt Englisch-Lehrerin Nicolette Strickling. Sie sammelt an einem Flipchart Merkmale, woran man einen radikalisierten Jugendlichen leicht erkennen könnte. 19 Lehrer sitzen im Seminarraum, sie alle beschäftigt die Frage: Woran erkenne ich, dass mein Schüler in den Extremismus abgleitet? […]
Die Lehrer sind verunsichert und haben deshalb explizit um dieses Seminar gebeten. Die Fortbildung von Deeskalationstrainer Heinz Kraft und Anti-Gewalttrainerin Silke von Beesen setzt bei den Ursachen an. Was macht extremistische Gruppen für Jugendliche überhaupt attraktiv? Mit kleinen Spielen zum Thema Gewalt und sozialer Ungerechtigkeit sollen sich die Lehrkräfte in ihre Schüler hineinversetzen. Schnell wird klar: Fehlende Anerkennung und Perspektivlosigkeit können Auslöser sein.“



Extremismus. Politologe: Aus Fehlern mit Pegida für Umgang mit AfD lernen, WN, 15.06.2016. http://www.wn.de/Welt/Thema/Aktuell/2414...-mit-AfD-lernen
„Die Pegida-Anhänger würden vielfach von Sorgen und Ängsten um «wahre Probleme unseres Landes» umgetrieben. Diese müssten «politisch in den Griff» bekommen werden, sagte Patzelt. Dadurch, dass sie von Medien und Politik pauschal in die rechte Ecke gestellt oder als lokales Dresdner Phänomen abgetan worden sie, sei Pegida als «Vorbote des sich nun auch in Deutschland ausbreitenden europäischen Rechtspopulismus» nicht richtig wahrgenommen worden.
So seien wichtige «Warnsignale für Deutschland» nicht erkannt worden, schreibt Patzelt. Auch Ratschläge für Politiker, Journalisten und Pegida-Anhänger gibt er in dem knapp 670 Seiten umfassenden Buch.“



Götz Aly: Keine Macht dem Mob in Deutschland!, Berliner Zeitung, 19.01.16. http://www.berliner-zeitung.de/kommentar...hland--23437134
„Zu den großen zivilisatorischen Fortschritten der vergangenen 300 Jahre zählt das Gewaltmonopol des Staates. Deshalb lebt jeder heutige Europäer unter gesellschaftlichen Umständen, die im geschichtlichen Vergleich als außerordentlich gewaltfrei gelten dürfen. Ebendeshalb, um des friedlichen Miteinanders willen, muss das staatliche Gewaltmonopol unnachsichtig gegen diejenigen verteidigt werden, die es zerstören wollen. Dazu gehören linksradikale Gewalttäter in der Berliner Rigaer Straße und rechtsradikale Freunde der Randale in Leipzig-Connewitz. Dazu gehören Migranten am Kölner Hauptbahnhof, treudeutsche Altbürger, die Flüchtlingsheime anzünden, ebenso mafiose „arabische Großfamilien“ und neuerdings Bürgerwehren.“



Von Marcel Laskus: Pegida: Der Anständige, Zeit, 20. Juni 2016. http://www.zeit.de/campus/2016-06/pegida-eric-hattke-dresden
„Hattke spürte, wie Pegida die Stimmung in der Stadt vergiftete, und sah, dass viele Studenten nichts dagegen taten. "Das macht eine Demokratie kaputt", sagt Hattke. Es sei schlimm, wenn Menschen sich gleichgültig verhielten, obwohl sie anders dächten.
Deshalb setzte er sich an seinen Computer und schrieb eine E-Mail. Hattke verantwortete damals im Studentenrat die Öffentlichkeitsarbeit, dadurch hatte er einen mächtigen Hebel: den Mail-Verteiler der Hochschule.
In einem 600-Wörter-Pamphlet rief er die Studenten dazu auf, auf die Straße zu gehen. "Was Pegida fordert und unterstützt, ist und bleibt Gewalt gegen Menschen. Zeigt, dass nicht ganz Dresden so denkt wie Pegida", schrieb er. Dann drückte er auf Senden. Empfänger: alle 35.000 Studenten der TU Dresden.
Drei Tage später, am 8. Dezember, zogen 10.000 Pegida-Anhänger durch die Stadt, fast doppelt so viele wie in der Woche zuvor. Erstmals jedoch trafen sie auf 9.000 Gegendemonstranten, unter ihnen Tausende Studenten. Jetzt wussten die Dresdner, wer Hattke war.“



Franca Forth: Ideologien: "So müssen sich Sekten anfühlen", 6. Juni 2016. http://www.zeit.de/campus/2016-06/ideolo...ks-rechts-werte
„Professoren warnten Johanna vor nicht-linken Texten. Lukas wurde vom Anarcho zum FDP-Funktionär. Dennis zweifelt. Von drei Studenten, die nicht mehr ganz so links sind.
"Mit 14 war ich böse auf die ganze Welt. Die Eltern sind spießig und symbolisieren Macht. So wollte ich nicht enden. Also ließ ich mir einen Irokesen schneiden. Mit blauen, weißen und roten Strähnen – den Farben der französischen Nationalflagge. Alles Revolutionäre kommt aus Frankreich, dachte ich. Dass ich einmal die FDP wählen und Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in Bayern werde, hätte damals niemand gedacht.
Meine Freunde und ich haben uns viel über Kommunismus und Anarchismus unterhalten – viele Ideen auch vermischt. Auf den Lederjacken trugen wir den roten Kommunismusstern. Daneben prangerte ein Anarchismussymbol. Unsere Ideen über eine gerechtere Welt haben wir über Blogeinträge und Punklieder bekommen. Jegliche Form von Herrschaft und Macht haben wir abgelehnt. Globalisierung fanden wir doof.
Später kam ich dann ins Jugendparlament und bin einer lokalen Jugendpartei beigetreten. Dort habe ich die typischen Standardthesen vertreten: Der Kapitalismus ist ungerecht. Oder: Wir brauchen endlich einen Umsturz, um das System zu verbessern." […]
"Als ich das erste Mal ein paar Freunde in meine Wohnung einlud, stolperte der erste herein und rief: "Wenn alle in einer Einzimmerwohnung leben würden, müsste Leipzig doppelt so groß sein!" Die fetteste Bude habe ich nicht. Könnten sie so leben, würden sie sicherlich nicht Nein sagen. Gesagt habe ich aber nichts. Dafür war ich in dem Moment zu verunsichert.
Später am Abend saßen wir alle an meinem Küchentisch. Ich saß mit dem Rücken zum Kühlschrank. Darauf thronte eine Schale mit ein paar Bananen. Auf einmal beugte sich ein Kommilitone zu den anderen und sagte: "Leute, die Bananen kaufen, kann ich wirklich nicht verstehen." Ich schwieg. Und kam mir so blöd vor. Warum musste er in der dritten Person über mich reden? Als ob ich ein kleines Kind wäre, das nichts begreift. Natürlich wusste ich, dass Bananen oder Ananas nicht hier in den Vorgärten wachsen. Aber dass es ein No-Go ist, die zu kaufen, war mir damals nicht bewusst.
Die meisten Professoren in meinem Studium waren politisch auch eher links orientiert. Sollten wir nicht-linke Texte lesen, wurden wir explizit darauf hingewiesen – fast gewarnt. So müssen sich Sekten anfühlen, dachte ich nach einer Weile. Eine Sekte, wo ich nicht meinen eigenen politischen Standpunkt entwickeln kann. […]
Zu Hause tippte ich Gysis Namen bei YouTube ein und klickte mich durch ein Video nach dem anderen. Ich war völlig begeistert: Er konnte komplexe Zusammenhänge ganz einfach darstellen. Für mich als jungen politischen Laien war sein Gerede leicht verständlich. Vor allem seine Ideen über soziale Gerechtigkeit fand ich gut. Ich komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie. Ich fing an, mir alle möglichen Videos auf dem Kanal der Linken anzuschauen und ließ mich von ihren Meinungen zuballern. Hinterfragt habe ich mein einseitiges Weltbild damals nicht. […]
Im ersten Semester belegte ich einen Kurs über die DDR. Nach jeder Sitzung konnte ich spüren, wie ich weiter in die politische Mitte rutschte und zum Sozialdemokraten wurde. Viele Kommilitonen fanden: Der Marxismus als Weltanschauung ist gut, die DDR hatte ihn nur schlecht umgesetzt. Das sah ich nicht so. […]
Die Uni-Linke diskutiert nicht dringende Probleme in der Gesellschaft, sondern verliert sich in abstrakten Systemdebatten. Sie finden, dass staatliche Herrschaft zwangsläufig zu Rassismus und Sexismus führt. Der Kapitalismus beute die meisten aus – vor allem Minderheiten und Frauen würden benachteiligt. Reformen helfen nicht, sagen sie, der Kapitalismus muss abgeschafft werden. Das ist doch total undifferenziert. Ich sehe das anders: Wir brauchen Reformen, die Gerechtigkeit schaffen. Und wenn wir nicht alle Flüchtlinge der Welt aufnehmen können, sind wir noch lange nicht alle rassistisch. […]
Eins hat mir jedenfalls die Zeit an der Uni schon gebracht. Endlich habe ich einen konkreten Berufswunsch. Ich würde gerne über politischen Extremismus forschen. Schwerpunkt: Linksextremismus."“

 Sprung  
Xobor Forum Software ©Xobor.de | Forum erstellen
Datenschutz