Kaum ein Wort klingt abgedroschener, kaum eines ist wichtiger als dieses.
1.
Solidarität ist die Kraft der Schwachen, die Macht der Ohnmächtigen.
Solidarität ist auch eine Frage der Moral. Zuerst aber ist sie eine Frage des Schutzes, des Respekt Verschaffens, der politischen Gestaltung und der Emanzipation.
Die Schutzfunktion leuchtet jedem ein, der sich schon einmal mit Hilfe einer Solidar-Gemeinschaft Respekt verschafft hat. Diese Erfahrungen werden täglich in den gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen gemacht, im Mieterbund oder in Bürgerinitiativen. Es mag bei den Ersten Malen nicht einfach sein, aus seinem Schatten herauszutreten und den Kampf zu wagen. Nicht nur deshalb, weil immer ein Restrisiko bleibt, sondern vor allem, weil man sich den Mächtigen und Reichen entgegenstellt; Leuten mit Geld und Macht, nicht selten auch mit Ansehen und der gepflegten Aussprache. Wer denen widersteht, gewissermaßen auf Augenhöhe schwingt, überwindet die eigenen inneren Grenzen des Underdogs. Er überwindet sich selbst. Genau das ist Emanzipation. Sie steht jedem offen. Sie verändert unsere Gesellschaft. Wer es schafft, Solidarität zu organisieren, hat ein großes, wirksames politisches Gestaltungsmittel in der Hand.
2.
In der Sozialdemokratie zählt deshalb Solidarität neben Freiheit und Gerechtigkeit zu den drei Grundwerten. Sie sind die Grundlage ihrer Vision unserer Gesellschaft, und damit ihr zentrales politisches Ziel. Werbeleute würden hier vom Markenkern sprechen. Dieser Dreiklang der Werte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität hat auch heute nichts Abgedroschenes an sich. Wie die SPD diese Werte aber verkörpert ist eine ganz andere Frage.
In Bezug auf die Solidarität wird die SPD nicht nur daran gemessen, wie gut oder schlecht sie ihre solidarische Politik formuliert, von mir aus auch praktiziert, sondern wie solidarisch sie innerhalb ihrer eigenen Solidargemeinschaft, was sie ja als Partei auch ist, miteinander umgeht.
Politik ist ein hartes Geschäft. Hier geht es um Macht in ihrer offensten Form. Da fliegen manchmal die Fetzen. Das mag nicht schön anzusehen sein, doch die Auseinandersetzungen, auch die persönlichen müssen ausgetragen werden. Der innerparteiliche Umgang ist der Prüfstein für die Ernsthaftigkeit der sozialdemokratischen Grundwerte, also der sozialdemokratischen Vision einer sozialen Demokratie. Hier zeigt sich, ob diese Werte nur als Phrasen für Sonntagsreden dienen, oder ob sie auch gelebt werden.
3.
Respekt und der Mut zur Wahrheit sind die Grundlagen eines solidarischen Umgangs miteinander. Wie hart auch immer die Meinungen miteinander im Streit liegen, Respekt für die jeweils andere Persönlichkeit, für das Leben des anderen, seine Geschichte, und seine Leistung sind die Grundlage eines menschlichen Umgangs.
Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, sagt Hannah Arendt. Das gilt insbesondere in der Politik. Denn sie beginnt mit dem „Sagen, was ist.“. Natürlich ist jede Wahrheit subjektiv. Aber wir sind sie uns schuldig. Denn nur so können wir einbringen, was wir für wichtig halten, können Gefahren und Hoffnungen äußern. Und wir können Versagen und Irrtümer benennen. Kurz wir schaffen damit einen aufgeklärten Diskurs.
Respekt voreinander speist sich aus dem Bemühen, den jeweils anderen zu verstehen. Sich zu seiner eigenen Meinung in aller Aufrichtigkeit zu bekennen aber ist die wichtigste Voraussetzung für eine lebendige und fruchtbare Diskussion. Gehässiger Umgang, Schlechtreden und Verunglimpfen schaffen Mißtrauen und zerstören die gemeinsame Handlungsgrundlage einer Solidargemeinschaft. Wer einem schlechten Vorbild folgt, ist selbst nicht besser. Allerdings müssen gegenseitiger Respekt und aufrichtige Abneigung kein Widerspruch sein. Denn so hart die Auseinandersetzung auch ist, gegenseitiger Respekt ist möglich.