Wahrscheinlich geht es um mehr. Aber es geht nicht mehr um die DDR und ihre Überwindung. Diese Aufgabe ist erfüllt. Ihre Aufarbeitung hat nicht deren Rang. Lasst uns nicht stehenbleiben bei den unerledigten Aufgaben der Aufarbeitung. Weder Rot-Rot-Grün, noch die Existenz der Linkspartei bedeutet Untergang. Sie sind restaurative Symptome einer nachrevolutionären Zeit. Ja, es mag sein, dass sie uns dauerhaft begleiten werden. Wir wissen, dass ihr Anspruch, besonders modern zu sein, lediglich ein hohler Schein ist. Nichts steckt dahinter. Nichts von ihren Ansprüchen kann eingelöst werden. Wir haben nicht unser Scherflein dazu beigetragen, dass die alte DDR beerdigt wurde, um uns heute mit ihren Schatten Spiegelfechtereien zu liefern. Die Freiheit war mehr als russische Besatzung, deutsche Teilung und kommunistische Ideologie. Die Unterordnung steckte in den Köpfen. Wir haben sie vertrieben, und wenn es nur für Monate war. Freiheit ist mehr als der Ausländerhaß unserer Tage, der frühere Antisemitismus; nur scheinbar ist er untergegangen. Freiheit ist mehr als Fundamentalismus und Terrorismus. Freiheit ist mehr als Konsum und Wohlstand. Freiheit ist unsere Lebensform. Freiheit ist unser Anspruch und unser Weg. Sie wird nicht einfach nur bedroht. Wir leben nicht im Kampf mit unseren Nachbarn, die Angst vor der Freiheit haben. Wir brauchen vor ihnen keine Angst zu haben. Wer die Freiheit wirklich will, der braucht nur ihren Weg zu gehen. Die Bedrohungen unserer Tage sind leicht auszumachen: das Auseinanderfallen der Europäischen Union, ihre nationalen Egoismen und erstaunliche Mängel an Solidarität angesichts der Flüchtlingsmassen, die nach Europa streben; der Versuch europäische Vaterländer gegen die weitere europäische Integration auszuspielen; der Versuch mit fundamentalistischen Terror individuelle Komplexe paradiesisch aufzulösen; die Bedrohungsängste und das Abwehrverhalten, die den islamischen Kulturkreis angesichts der voranschreitenden kulturellen und zivilisatorischen Übermacht westlicher Werte beherrschen; die Tristesse eines zu eng gezogenen Horizonts bei vielen unserer Mitbürger; die besinnungslose Ausbeutung unserer Natur, die angesichts unserer natürlichen engen Verflochtenheit mit ihr im Klimawandel eine ganz eigene Antwort zu präsentieren scheint; und die tiefsitzende Resignation, dass unsere Wirtschaftsform keinen Platz mehr habe für Solidarität und Mitmenschlichkeit, was nebenbei, deren Untergang bedeuten würde. Daraus ergeben sich eine Fülle an politischen Aufgaben, wo gehandelt werden muss und über die sich das Reden lohnt. Und wo wir klarmachen können, welche Bedeutung Freiheit für uns hat, welche Kraft in ihr steckt. Es geht dabei nicht um die Erfahrung von 1989 sondern um die Voraussetzung von 1989. Diese können und sollten wir vermitteln. Denn die Geschichte war ihre bestätigende Folge. Und wenn wir uns in unserem Bewußtsein nicht hätten von unserer eigenen Freiheit und Verantwortung leiten lassen; keinen Fußbreit hätten wir zum Gelingen der Überwindung von Kaltem Krieg, Kommunismus, russischer Besatzung und deutscher Teilung leisten können.