Viele ostdeutsche Sozialdemokraten sahen sich 1989 nicht als Gründer einer neuen Partei. Es sollte die älteste demokratische Partei Deutschlands im Gebiet der SBZ/DDR wiedergegründet werden. Die Ziele hiessen u.a. Freiheit, Demokratie, soziale Marktwirtschaft und unbedingte Sicherheit vor Rückabwicklung der gerade gewonnenen Freiheit. Es dauerte auch nicht lange, bis viele ostdeutsche Sozialdemokraten die Sicherheit vor Rückabwicklung der Freiheit in der Deutschen Einheit und in der Mitgliedschaft der EU sahen. Lediglich die Schritte und die Geschwindigkeit dieses Weges standen zur Diskussion, nicht jedoch der Weg an sich.
Christian Müller MdB 1990-2005 beschrieb im Oktober 1994 die Situation der SPD zum damaligen Zeitpunkt. In der Anlage ist sein Aufsatz nachzulesen.
1991 jährte sich die erste Wandlung der SPD zur Volkspartei zum 70. Male. 1921 beschloss die SPD ihr hervorragend realistisches Grundsatzprogramm von Görlitz, welches leider nur bis 1925 Bestand haben sollte. In Heidelberg beschloss die mit der USPD 1922 wiedervereinigte SPD 1925 erneut ein marxistisch dominiertes Programm. Die kommenden 12 Jahre tausendjähriger nationalsozialistischer Umnachtung Deutschlands, Europas und der Welt verzögerten den Weg der SPD zu Mehrheitsfähigkeit auf der Grundlage eines erneuten reformorientierten realistischen Programms bis Godesberg 1959 für das Gebiet Westdeutschlands. Für das Gebiet des heutigen Ostdeutschlands sollte diese Pause realistischer sozialdemokratischer Programmatik noch länger dauern. Erst 1989 war dies wieder möglich.
Zurück zu 1921 und Görlitz. Christian Müller initiierte eine Festveranstaltung zum 70. Geburtstag des Görlitzer Programms an der als Hauptredner der SPD-Vorsitzende Björn Engholm teilnahm.