Jetzt ist es passiert. Ich hatte es kaum für möglich gehalten. Die Verhandlungen sind beendet. Tsipras hat kein neues Geld bekommen. Griechenland steht vor dem Staatsbankrott. Das ist eine schwarze Stunde für Athen. Und das wird hart für alle Griechen. Diese Zeit wühlt die Gemüter auf. Jeder hat seine eigenen Empfindungen. Und viele äußern sich. Ich will das auch tun, wohl wissend, dass ich keine vollständige Analyse bieten kann. Aber ein paar Ansätze dazu habe ich. Vorgeschichte: Es geht hier nicht um die Geschichte der Korruption oder der kulturellen Folgen des osmanischen Reiches, es geht auch nicht um die orthodoxe Kirche oder den vermeintlichen Mangel an aufklärerischer Tradition. Es geht darum, dass Syriza angetreten war mit dem Versprechen, einen geniale Finanzierung des griechischen Staates in der Hand zu haben, der es erlaubt weitere soziale Kürzungen zu verhindern, alte zurückzunehmen, und Luft für die Modernisierung des Staates zu haben. Mir geht es hier um die Finanzierung. Die Vorstellungen von Tsipras und Varoufakis wären nur gemeinsam mit den Gläubigern, der EU und dem IWF durchsetzbar gewesen. Doch die haben sich darauf nicht eingelassen. Tsipras hat sie nicht überzeugen können. Da hilft es jetzt auch nicht, dass sich Athen über das Spardiktat beschwert. Es kann sein, dass die Vorstellungen von Varoufakis genial waren. Die andere Seite aber hat auch triftige Argumente in der Hand, diese Vorstellungen zurückzuweisen. Varoufakis hat seine Vorstellungen in der Praxis nicht ausprobieren können. Das mag man bedauern. Doch bei Umschuldungen entscheiden in erster Linie die Gläubiger, und nicht die Schuldner, wie die neuen Rückzahlungsbedingungen aussehen. Das hat Syriza schon im Wahlkampf nicht wahrhaben wollen. Statt dessen haben sie sich selbst und ihr Wahlvolk über diesen Fakt getäuscht. Jetzt müssen sie die Zeche zahlen und das griechische Volk dazu. Was zu tun ist: In Griechenland ist der Staat schwach. Er kann sich nicht durchsetzen. Er kann keine Forderungen eintreiben. Seine Verwaltung ist nicht schlagkräftig. Jeder kann machen was er will. Also wird jede griechische Regierung daran gemessen werden müssen, inwiefern es ihr gelingt, den Staat zu stärken, die griechischen Gesetze durchzudrücken, eine effiziente Verwaltung aufzubauen, die ausstehenden Steuern einzutreiben, die Schattenwirtschaft einzudämmen und der Korruption den Nährboden zu entziehen. Dann könnte sie ihre sozialen Leistungen finanzieren und in Bildung und Forschung investieren, und die Wirtschaft modernisieren. Davon würden die einfachen Leute am meisten profitieren. In Griechenland haben bisher alle Schichten von der Korruption profitiert. Jetzt leiden sie unter dem Untergang Griechenlands. Vielleicht gibt das der Elite des Landes die Gelegenheit eine Bilanz ihres bisherigen Verhaltens zu ziehen und eine Umkehr zu wagen. Es würde schon reichen, wenn das nur wenige von ihnen begreifen. Denn die Menschen leiden nicht gleichmäßig in Griechenland. Die Reichen haben ihre Vermögen in Sicherheit gebracht. Wirklich an den Kragen geht es den einfachen Leuten. Es ist an der Zeit, dass diese ihre Solidarität in der Korruption aufgeben. Die Mitte der Nacht ist der Anbruch des Tages. Nie war die Gelegenheit Griechenland zu reformieren so günstig wie heute. Und wie gesagt, das sind Aspekte. Ein Konzept ist das nicht. Dazu sind die berufen, in deren Verantwortung der griechische Bankrott liegt.
Griechenlands Perspektive – Tsipras und das Referendum
Ökonomie und Politik sind nirgendwo zu trennen. Auch in Griechenland nicht. Die Sache ist im Grunde einfach. Sie ist eine Frage der Leistungsfähigkeit der griechischen Volkswirtschaft und der zu schulternden Schuldenlast. Griechenlands Leistungsfähigkeit rangiert deutlich unter der anderer, vergleichbarer EU-Mitgliedsstaaten. Das gilt insbesondere für die €-Länder. Normalerweise wertet man in solchen Fällen ab. Der Wechselkurs ist ein guter Maßstab für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Der Euro erlaubt das nicht. Hier müssten drastischere Instrumente her. Das sind vor allem eine Senkung der Einkommen, also Löhne, Gehälter und Renten. Die Schuldenlast wiederum ist mit 300 Mrd. € so hoch, dass Griechenland die wohl nicht alleine tragen kann. Denn jeder Erholungskurs droht durch Tilgung und Zinsdienst aufgefressen zu werden. Damit ist klar, dass ohne einen Schuldenschnitt Griechenland nicht wieder auf die Beine kommt. Darüber hinaus hat es zwei Möglichkeiten. Entweder es kehrt zur Drachme zurück. Dann müssen keine weiteren Sozialeinschnitte vorgenommen werden. Alleine die dann steigenden Kosten für Lebensmittel, Arzneien und vor allem Energie werden bittere Folgen für den Lebensstandard haben. Andererseits hilft das der heimischen Wirtschaft. Die griechische Wirtschaft kann auf Wachstumskurs kommen, was Luft für die Reformen des Staates schafft und so auch zu einer Stabilisierung und langfristigen Verbesserung der sozialen Lage führen wird. Oder Griechenland bleibt beim Euro. Dann muß die notwendige Anpassung an die Leistungsfähigkeit der anderen €-Staaten über die Einkommen vorgenommen werden. In beiden Fällen wird der Lebensstandard der Griechen sinken. Die Frage ist nur, welcher Kurs ist politisch durchsetzbar. Ganz gleich wie das Referendum ausgeht, eine neue ökonomische Lage wird dadurch nicht geschaffen. Tsipras hat diese Zusammenhänge gegenüber seinen Anhängern geleugnet. Allerdings hatte er Recht, was den Schuldenschnitt betrifft. Und man muß in diesem Zusammenhang festhalten, dass auch die EU eine erhebliche Verantwortung für die in Griechenland entstandene ökonomische Lage zukommt. Denn als die Krise begann, wußten IWF und EU im Grunde, dass Griechenland seine Schulden nicht würde meistern können. Doch damals ging es nicht nur um Griechenland, sondern auch Italien, Spanien und Portugal. Und deshalb waren EU und IWF bereit, Griechenland sozusagen mitzuschleppen als Preis für die Konsolidierung der Währung in den anderen drei Ländern. Diesen hat es geholfen. In Griechenland aber ist die Krise verschärft worden. Das hat u.a. dazu geführt, dass Tsipras an die Macht kam. Denn sein Hauptargument, dass die Strategie von EU und IWF nicht aufgeht, entsprach schließlich den Realitäten. Allerdings hatte Tsipras keine bessere Antwort als seine Vorgängerregierungen. Denn wie gesagt, eine ökonomische Lösung für Griechenland ohne Senkung des Lebensstandards, entweder direkt durch Senkung der Einkommen oder als Folge die Wiedereinführung einer eigenen Währung gibt es nicht. Auf griechischer Seite wird nur eine Regierung eine Chance haben, Griechenland wieder auf Wachstumskurs zu bringen, die sich diesen Realitäten stellt. Dann macht auch ein Schuldenschnitt Sinn. Was wir jetzt mit dem Referendum erleben, ist ein verzweifelter Tsipras, der versucht das griechische Volk in Geiselhaft für seinen Irrtum zu nehmen. Sollten die Griechen mit Nein stimmen, sind wirtschaftliches und finanzielles Chaos die Folge. Dann können wir hier Care-Pakete für die Griechen packen. Sollten sie mit Ja stimmen, müßte Tsipras eigentlich zurücktreten. Wenn er es nicht tut, ist das so, als ob die Griechen mit Nein gestimmt hätten. Oder Tsipras stellt sich den ökonomischen Realitäten. Aber da wird ihm wohl das Parlament nicht folgen.
Ob Tsipras, Wagenbartsch, Podemos oder sonstwer aus dem Museum kommunistisch/trotzkistischer Erlösungsideen, am Ende müssen die Griechen dennoch ihr Gemeinwesen evaluieren, bürgernah und effizient gestalten. Dabei darf die westliche Wertegemeinschaft nicht abseits stehen. Als (gewünschte) Helfer, nicht als Organisatoren und Realisierer.
Gunter Weißgerber
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