Interview für das Internetportal niezalezna.pl vom 20.01.2016 mit Dr. habil Ewa Matkowska, Institut für Germanistik Universität Wrocław (Breslau)
Ergänzt um einige Informationen für den deutschen Leser
Welches Bild von Polen präsentieren die deutschen Medien?
Die Medien in Deutschland, von links bis rechts in Bezug auf politische Sympathien, übermitteln den deutschen Zuschauern und Lesern ein Bild, nach dem sich Polen auf dem Weg Richtung autoritärer Staat befinden würde. Als wäre die polnische Regierung nicht im Zuge demokratischer Wahlen gewählt worden. Die Medien übermitteln Botschaften, die sie von „Gazeta Wyborcza“ und befreundeten Medien, übernehmen. Man konzentrierte sich in letzter Zeit auf zwei Themen: das Verfassungsgericht und das Mediengesetz. Da ich keine Juristin bin, werde ich mich nicht zum ersten Thema äußern. Ich möchte mich auf die Medienreform konzentrieren, die absolut notwendig war. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen servierte den Zuschauern Propaganda, welche die regierende Koalition PO-PSL unterstütze. Man bediente sich dabei aller bekannter Kunstgriffe: tendenziöse Selektion der Informationen; wenn es nicht möglich war, eine missliebige Information zu unterdrücken, hat man diese mit entsprechendem Kommentar begleitet; tendenziöse Zusammenführung von Bild und Kommentar, man kreierte ein emotional negatives Bild der oppositionellen Politiker der Partei PIS. Ich nenne ein kleines Beispiel: der Premierminister Tusk aüßert sich lächelnd in die Kamera, der Vorsitzende Kaczynski wird von hinten gefilmt, wie er in eine dunkle Limousine steigt. Das ist ein emotional manipuliertes Bild. Der Text des Kommentars hat kaum noch Bedeutung. Man muss sich fragen, warum die deutschen Korrespondenten in Polen dies nicht gesehen haben? Warum haben sie das Entstehen von einem unabhängigen Medienumlauf in Polen nicht bemerkt? (Telewizja Republika – zugänglich im Internet gegen Bezahlung -, Wochenzeitschrifen Do Rzeczy, W sieci, Tageszeitung Gazeta Polska). Nur deshalb können sie heute behaupten, dass alles so schlimm geworden ist, weil sie vorher berichtet haben, dass alles sehr gut ist, was ganz offensichtlich nicht stimmte!
Sie analysieren die Berichte in Deutschland. Ist das Bild objektiv oder einseitig? Wird der Zuschauer manipuliert?
Ich bin der Meinung, dass die Berichterstattung unseriös, einseitig und emotional negativ ist. Die Medien haben vermutlich schon für sich entschieden, dass in Polen die Demokratie bedroht ist, was nicht wahr ist.
Können Sie Beispiele nennen?
Als Germanistin und eine Deutschland freundlich gesinnte Person fühle ich mich fast beschämt, folgende Beispiele nennen zu müssen. Ein Skandal war ein Text von Jakob Augstein, dem Sohn des verstorbenen Gründers des Magazins Der Spiegel. (http://www.spiegel.de/politik/ausland/re...-a-1070314.html)
Der Autor attestiert Polen die Nähe zu Putins Russland. Polen schreibt er Eigenschaften zu, die seiner Meinung typisch für den Osten sind: „Rassismus, Ignoranz, Engstirnigkeit“, im Gegensatz zu westlichen Werten: „Liberalismus, Toleranz, Gleichberechtigung“. Dieser arrogante und einfach dumme Text erschien in Spiegel Online. Ein Spiegelredakteur, befragt in der populären Talkshow Blizej (Moderator: Jan Pospieszalski) am 14.01.2016, äußerte sich in dem Sinne, dass die Spiegel-Redaktion die Meinungen von Augstein nicht teilt. Dann frage ich mich: Warum veröffentlicht sie den Text auf den Seiten des Spiegels.
Ein anderes Beispiel aus den „Tagesthemen“, ARD, 30.12.2016.
[https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-4175.html]
Tendenziös ist bereits die Einleitung der Moderatorin, der Kommentar von Ulrich Adrian ist ein Skandal. Wieder dieselbe Botschaft: Die Medien waren bisher unabhängig, mit dem neuen Mediengesetz werden sie zum Propaganda-Rohr der Regierung. Interessant ist der veränderte Ton: ironisch oder gar zynisch, wenn es um den „Strippenzieher“ Kaczynski geht, der noch an den „künstlichen Nebel“ von Smolensk glaubt. Niemals würde ich es wagen angesichts der persönlichen Tragödie von Herrn Kaczynski einen derartigen Ton einzuschlagen, und zusätzlich muss man noch anmerken, dass die Umstände der Katastrophe keineswegs aufgeklärt worden sind. Der ironische Ton in der Berichterstattung über Polen ist etwas Neues, noch vor kurzem hätte man es sich nicht erlaubt.
Woraus resultiert das, sind die deutschen Interessen in Polen bedroht?
Ich denke, dass es einige Gründe gibt. Die Medienleute repräsentieren meistens links-liberale Anschauungen. Ähnlich ist es an den Geisteswissenschaften der Universitäten. Sie nehmen im vornherein an, dass aus Polen, welches eine konservative Regierung hat, auf traditionellen Werten bauen möchte und mehrheitlich katholisch ist, nichts Gutes kommen kann. Das ist natürlich falsch. Am Ende der weltanschaulichen linken Revolutionen steht, meiner Meinung nach, ein einsamer Mensch, dessen einziger Bezug der Staat ist. Er findet weder Unterstützung in der Familie noch Trost bei Gott. Die Medien übernehmen also gerne die Meinungen und Informationen aus dem links-liberalen Umkreis von Gazeta Wyborcza. Sind die deutschen Interessen in Polen bedroht? Es ging deutschen Banken und Konzernen mit Sicherheit besser zu Zeiten von Platforma Obywatelska wegen den jetzt geplanten Steuern. Wenn deutsche Politiker, wie der Fraktionschef der CDU im Bundestag, Volker Kauder, zu Wirtschaftssanktionen gegen Polen aufruft, dann vertritt er vermutlich die Interessen der deutschen Wirtschaft. Inwiefern sich die Medienkonzerne aus wirtschaftlichen Gründen in das Spiel einschalten, kann ich nicht beurteilen. Tatsache ist, dass fast der ganze Markt in Polen im Bereich Lokalpresse in den Händen von deutschen Konzernen ist. Ich kann auch bestätigen, dass ich in Die Welt (Axel Springer) und in Stern (Bertelsmann) schlecht recherchierte und negativ geprägte Artikel über Polen gelesen habe. Man stellt mit Befremden fest, dass Die Welt die Hauptpropagandistin des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, Karolina Lewicka, zur unabhängigen Journalistin erklärt und sie als Opfer einer Hetze darstellt (Die Welt, 10.01.2016). Ich würde es den Autoren raten, sich zuerst Programme von Lewicka anzuschauen oder die Analyse ihrer Manipulationen auf dem Portal wpolityce.pl.
Welche Schlüsse sollten wir daraus ziehen? Wie kann man diese Situation verändern?
Wir sollten die Situation in Polen erklären. Wir sollten uns entschieden gegen das negative Bild Polens wehren. Wir müssen es berücksichtigen, dass der deutsche Zuschauer und Leser nicht im Stande ist, aus der Matrix der meinungsbildenden Medien allein auszubrechen. Bezüge auf den Zweiten Weltkrieg und die deutschen Verbrechen in Polen sind dabei keine gute Methode. Es geht nicht darum, Emotionen hochkochen zu lassen, sondern über die wirkliche Lage zu informieren. Nach den Silvesterereignissen in Deutschland sieht man doch deutlich, dass die deutschen Medien auch die Deutschen nicht gewissenhaft informieren.
Wie haben die deutschen Medien den Besuch des Präsidenten Andrzej Duda in Brüssel kommentiert?
Ich würde eine schnelle Veränderung nicht erwarten, unabhängig davon, wie gut sich der Präsident Duda präsentiert hätte. Wie ich bereits sagte, die Medien haben bereits eine Meinung und wissen, welche Seite hier im Recht ist. Der Kommentator von ARD in der Tagesschau gestern erklärt den Zuschauern, warum der Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk gegenüber dem Präsidenten Duda „nicht deutlicher werden konnte“. Die Aussage des polnischen Präsidenten fand er „interessant“. Man sieht, wie wichtig es ist, dass polnische Politiker und Medien-Leute die Situation in Polen erklären. Es ist schon etwas, wenn die Worte des polnischen Präsidenten einfach zitiert werden, wie in der gestrigen FAZ. Das Missverständnis, welches die jetzigen und auch wohl künftigen Entscheidungen der polnischen konservativer Regierung begleitet, resultiert daraus, dass man all die Missstände zu Zeiten der PO-Regierung in Deutschland nicht thematisiert hat. Ich schließe mich der Meinung des Publizisten und Schriftsteller, Bronislaw Wildstein an, wenn er sagt, dass das bisherige politische System in Polen eine „Oligarchie mit demokratischer Fassade“ war. Deshalb hat die PO die Wahlen in Polen verloren, deshalb sind prinzipielle Veränderungen notwendig.