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 Medien
Gunter Weissgerber Offline




Beiträge: 626

20.01.2016 09:55
Medien: Oberlehrer, Erzieher oder Berichterstatter? Antworten

Ernst Eichengrün:

Die Schere im Kopf der Journalisten


Einseitige Berichterstattung in vielen Medien ist heute ein zentrales Thema.
Doch nicht etwaige Regierungs-Anweisungen sind es, die für dafür sorgen, sondern die Schere im Kopf vieler Journalisten. Die gibt es nicht erst seit heute, sie wurden damit sozialisiert. Die spätere Hegemonie des Zeitgeistes war bei ihnen schon früh angekommen - bald nach '68.

Zwei repräsentative Beispiele zu einer damals zentralen Frage, der Einstellung zur deutschen Frage:

1.
Auch wenn es etwa 40 Jahre her sein mag, erinere ich mich doch an einzelneVorgänge, als ich Im Gesamtdeutschen Insititut für politische Bildung zuständig war. In dieser Funktion hatte ich des öfteren Kontakt mit dem Leiter der Schulfunk-Redaktion eines größeren westdeutschen Senders, einem keineswegs zum Eiferertum neigenden, seriösen älteren Herrn. Der wollte sich ein differenziertes Bild von der DDR machen. Und dafür war das Institut im Zuge der neuen Ostpolitik ja bekannt, wegen seiner Bemühungen um Differenzierung oft auch kritisiert worden.

Er kam zu mir, um sich Informationen zu holen, Hinweise auf andere Quellen zu bekommen und sich auch Original-Dokfilme aus der DDR anzusehen (solche aufschlussreichen offiziellen DDR-Quellen konnten ja nicht als tendenziöse West-Propaganda abgetan werden).

Doch bei seinem letzten Besuch gestand er mir, dass er nicht mehr kommen könne: Seine jungen Redakteure wollten nicht, dass er noch länger mit dem Gesamtdeutschen Institut Kontakt habe. Offensichtlich hatte das zu einem zu kritischen Blick auf die DDR geführt. Dem fügte er sich. Ob aus Resignation oder weil er beim Sender keinen Rückhalt hatte, erfuhr ich nicht.

2.
In den 80ern referierte ich einmal auf einem Politik-Seminar einer westdeutschen Uni vor angehenden Journalisten über Stand und Perspektiven der deutschen Frage. Mein Hinweis, dass diese immer noch offen und eine Wiedervereinigung - wann auch immer möglich - erstrebenswert sei, stieß sofort auf allgemeine Ablehnung. Es zeigte sich, dass die Studenten dieses Ziel als nicht realisierbar und ein Festhalten daran als friedensgefährdend ansahen, dass ihnen der Begriff der Nation völlig fremd geworden war und sie die nationale Zusammengehörigkeit ablehnten. Manche belächelten einfach meine altmodischen Ansichten. Selbst mein Hinweis, dass alle Deutschen Verantwortung für die deutsche Vergangenheit haben und wir es nicht bequemerweise den Deutschen in der DDR überlassen dürften, mit dem Fehlen von Freiheit und Selbstbestimmung allein für die deutsche Schuld zu bezahlen, verfing nicht.

Dieser Journalisten-Nachwuchs bestimmte dann bald viele Medien. Der Zeitgeist war auf dem Vormarsch, hin zur kulturellen Hegemonie. So beim Thema Ökologie (noch in den 60ern hatte der SPIEGEL Willy Brandts Parole vom Blauen Himmel über der Ruhr ironisch abgetan: Ob ihm denn nichts Wichtigeres einfalle). Dann zu den Themen Nachrüstung und Energie. Alles mit einer gehörigen Portion Alarmismus. In der Klima-Frage wird die Argumentation der Skeptiker kaum referiert. Schließlich bei den Themen Israel, Islam und Flüchtlingspolitik, Politiker-Verachtung gehört gratis dazu. Schließlich wissen diese Journalisten sowieso alles besser und sie handeln ja in einem höheren moralischen Auftrag: Der Erziehung ihrer Leser und Hörer. Volks-Souveränität, das war einmal.

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Christian Müller (MdB 1990-2005):
Es scheint, wenn man die interessanten „historischen“ Erfahrungen von EE und die heutige, politisch korrekte Medienwelt betrachtet, so zu sein, dass auch demokratische Verhältnisse zu keiner Zeit freiwillige Zensur unmöglich machen. Es braucht offenbar nur das entsprechende Maß an ideologischer Überzeugung von der eigenen moralischen Überlegenheit seitens der Akteure. Damit ergibt sich eine gewisse Parallele zu den Verhältnissen in der „DDR“. Dort hat auch nicht jede Kreisparteileitung höchstpersönlich die jeweilige Ausgabe der Zeitung zensiert, ebenso wenig das ZK der SED in Berlin das Neue Deutschland. Wer in der Zone studierter Journalist war, bekam (z.B. an der Journalistenschmiede in Leipzig) das handwerkliche und ideologische Rüstzeug beigebracht. Diese Absolventen wähnten sich im Besitz der ewigen Wahrheit und wendeten bei ihrer Tätigkeit die Schere im Kopf mühelos an. Außerdem mussten sie schließlich regelmäßig zur „Rotlichtbestrahlung“. Bleibt allerdings die Frage nach den Mechanismen der „moralischen Überlegenheit“ in der heutigen Zeit. Ist das die Folge des „Marsches durch die Institutionen“, den die rotlichtbestrahlten 68er vollzogen haben?

CM

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