Ohne die Deutsche Einheit hätten wir mit hoher Wahrscheinlichkeit noch immer russische Truppen in allen Kreis- und Bezirksstädten der schon längst nicht mehr reformierten DDR. Der Abzug der Westgruppe der sowjetischen/russischen Armee wäre allein am Preis des Abzuges gescheitert. 13 Mrd. DM hätte eine kleine arme DDR niemals aufbringen können. Übrigens: Es wären nicht Gorbatschows scheinbar freundliche Truppen (im Baltikum schritt Gorbatschow alles andere als freundlich ein), mit denen wir es heute zu tun hätten. Es wären Putins KGB-gesteuerte weltverschwörungsgläubige Armeen. Wohl bekomm's!
[[File:Deutsche Einheit 1990 und Rußland 2014.pdf]]
Das war eine Gefahr. Andererseits darf man nicht vergessen, dass der machtpolitische Rückzug Gorbatschows einem Gebot der Vernunft entsprang. Rußland und die es beherrschenden Bolschewistin waren wirtschaftlich, sozial, und auch militärisch am Ende. Ihnen drohte ein Zusammenbruch, der zumindest Gorbatschow klar war. Die Aufgabe der Breschnew-Doktrin, das Beenden des Kalten Krieges, das Beenden der Hochrüstung, die innere Demokratisierung waren alles Versuche, die zur Erneuerung Rußlands beitragen sollten, und ja auch haben, allerdings unter Preisgabe der alten machtpolitischen Geltungsansprüche. Doch die waren eh nicht mehr zu halten. Insofern ist eben die Frage, ob die damalige SU wirklich eine Option gehabt hat, ihre Besetzungspolitik der alten Satellitenstaaten fortzusetzen. M.E. nein. Und das bedeutet, dass auch der Abzug der sowjetischen Truppen in den Bereich des Möglichen gekommen war. Ihr Rückzug war kein Gnadenakt.
Trotzdem hatten wir mit Gorbatschow Glück. Seine Vorgänger konnten das alles nicht. Aber es war eben auch ein Gebot der Vernunft.
Last but not least: Manchmal werden die Probleme so groß, die Dilemmata so ausweglos, dass sogar für die böswilligsten Potentaten nichts übrig bleibt, als vernünftig zu bleiben. Kollektiver Selbstmord ist so häufig nicht.