Vor knapp einem Jahr hat der Christliche Verein Oberlichtenau zum ersten Mal Asylbewerber in einer Gästewohnung im sächsischen Pulsnitztal aufgenommen. Als Vereinsgründer und als Stadtrat der Stadt Pulsnitz sah ich die Chance, Fremden in unserem Land zu helfen und gleichzeitig die Akzeptanz von Flüchtlingen zu erhöhen. Denn diese sollten bei uns im Verein mitarbeiten und damit einen Anknüpfungspunkt für die Integration am Ort finden. Gemeinnützige Arbeit ist die einzige, die Asylbewerber ausüben dürfen.
Es gab heftige Diskussionen in Oberlichtenau, wie wir denn darauf kämen, "solche Leute" überhaupt zu nehmen. So wird es vielen Menschen gehen, die Flüchtlinge aufnehmen wollen. Bei uns kam alles ganz anders, als gedacht.
Im November 2014 hatte sich die Situation im Notaufnahmelager Großröhrsdorf zugespitzt. Für unseren Verein war es der richtige Zeitpunkt, unser persönliches Integrationsprojekt zu starten. Die Ausländerbehörde des Landkreises hatte unsere extra neu möblierte und gemalerte Mini-Wohnung besichtigt und für gut befunden. Wir haben noch einen PC mit Internetflatrate installiert, damit unsere Gäste voreingestellt auf Arabisch Radio Casablanca hören, den Deutschkurs der Deutschen Welle und das arabische Programm des Evangeliums Rundfunks anwählen konnten. Da ich als Touristiker seit 25 Jahren mit Menschen aus aller Welt zu tun habe und ganz viele Besuche in arabischsprachigen Ländern erleben durfte, habe ich keine Berührungsängste.
So fuhr ich gespannt in meinem alten Bulli nach Großröhrsdorf und holte drei junge Männer aus Marokko ab. Unsere drei Asylbewerber standen schon bepackt mit Tasche und Pfanne (es gibt eine Erstausstattung von Küchengeräten) genauso erwartungsvoll da wie ich. Ich bin erst einmal zu einem Dönerladen gefahren, damit es ein kleines Willkommensessen gibt. Meine drei Gäste - ihre Namen sollen mit Rücksicht auf ihre Privatsphäre ungenannt bleiben - waren völlig entsetzt, dass es da kein halal Fleisch gab - sie versuchten mir zu erklären, dass wir in Europa alle an Krebs sterben würden, weil wir Tiere nicht muslimisch schächten. Einer konnte bereits hervorragend Deutsch; es stellte sich heraus, dass er dank eines guten Anwalts bereits neun Jahre als Asylbewerber in Deutschland lebte. Er erklärte mir dann im Auftrag der beiden anderen: "Maik! Hast du eine Frau? Nicht zum Spaß, richtig zum Heiraten und richtig zum Familie machen!" Eine klare Ansage.
Nach einem Zwischenstopp beim Einwohnermeldeamt waren die drei also Pulsnitzer Bürger. Angekommen in Oberlichtenau stellten sie enttäuscht fest, "hier ist nichts los, wir wollen in eine Stadt". Die Kleinstwohnung gefiel ihnen - aber in "gebrauchte Betten" wolle man sich nicht legen. Sie hätten bisher immer neue, eingeschweißte bekommen. Es hat einen Moment gedauert, bis sie akzeptierten, dass alle unsere Gäste in frisch gewaschenen, aber nicht neuen Bezügen schlafen.
Nun wollten sie sofort in die Kreisstadt Kamenz gebracht werden, denn mit dem Einwohnermeldeschein könne man Urlaub vom Asyl beantragen, auch mal woanders hinfahren, und die Behörde mache gleich zu. Ich habe sie noch zum Linienbus gebracht. In der Nacht riefen sie dann an, ich solle sie in Pulsnitz abholen, es fahre kein Bus mehr. Ich riet ihnen, die 30 Minuten zu laufen. Interessant war, dass zwei der drei nicht wieder kamen, sondern erst einmal drei Wochen in "Asylurlaub" gingen. Der Dritte freute sich über die Fahrräder, die wir besorgt hatten, wollte ein zusätzliches Schloss für die Haustür und einen Kühlschrank mit Gefrierfach. Kein Problem, wir haben alles realisiert. Er war sichtlich zufrieden und freundlich.
Ich habe ihn mit auf den Scheunenbau des Vereins genommen und ihm gezeigt, wie das Anschrauben von Dielen geht. Er hat es sehr gut gemacht. Nach sechs Stunden habe ich ihm den gesetzlich vorgeschriebenen Verdienst ausgezahlt. Auf die Quittung hat er "not gut" geschrieben - unter neun Euro Stundenlohn komme er nicht wieder. Trotz aller Bemühungen kam er tatsächlich nicht mehr zum Arbeiten.
Dafür meldete sich ein Anwalt der Asylbewerber und wies darauf hin, dass diese nicht versichert seien, wenn sie sich bei der Vereinsarbeit verletzten. Nachfragen bei unserer Berufsgenossenschaft für Verwaltung ergaben zunächst großes Staunen, da die Frage, ob Asylbewerber versichert sind, dort noch nicht gestellt worden war. Tage später haben wir dann erfahren, dass Asylbewerber beitragsfrei versichert sind und im Falle eines Arbeitsunfalls auf Kosten der Berufsgenossenschaft behandelt werden. Doch das Projekt "Integration durch gemeinnützige Arbeit im Verein" war zumindest mit diesen Dreien gescheitert.
Ich habe unseren einen verbliebenen Asylbewerber Weihnachten mit nach Hause zum Entenbraten genommen, in die Kirche, zur Musik und zum Krippenspiel. Auch bin ich mit ihm beim Silvesterlauf gerannt - er war viel, viel schneller als ich. Viel mehr aber ist in Sachen Integration nicht zustande gekommen. Beide Seiten haben ihren Anteil daran. Das Angebot zweier Lehrerinnen, ihnen Deutschstunden zu geben, haben die Männer abgelehnt. Und der Versuch, die Asylbewerber in den Jugendclub oder die Sportgemeinschaft einzubinden misslang, weil die Vereine das nicht wollten. Es gab nie Probleme zwischen den Oberlichtenauern und den drei "Fremden" - es gab keine Begegnungen.
So waren die Marokkaner wenig da, die Fahrräder waren oft eingestellt. Sie haben berichtet, sie seien in Dresden in einer Moschee. Einer hat zwischenzeitlich im Ruhrgebiet geheiratet.
Die Asylbewerber sind, wie verabredet, nach vier Monaten ins Spreehotel nach Bautzen gezogen. Die Wohnung, die wieder unseren Gästen und Referenten zur Verfügung stand, haben sie blitzblank hinterlassen - es gab keinerlei Schäden. Auf dem Küchentisch lag ein Ring aus Bonbons gelegt, auf einem Zettel stand "DANKE".
Wir haben uns entschlossen, jetzt wieder Asylbewerber aufzunehmen, diesmal mit dem klaren Wunsch, dass es sich um Christen oder ausgebombte Syrer handelt. Wir sind gespannt auf den zweiten Versuch, schutzbedürftige Menschen wirklich zu integrieren und in die Vereinsarbeit einzubeziehen.
In der Pulsnitzer Unterkunft (unten) waren drei Asylbewerber indes nicht so recht glücklich. Foto: dpa (2)/privat
Maik Förster, 50, ist Touristikfachwirt. Der von ihm gegründete Christliche Verein betreibt eine kleine Ferienanlage im Pulsnitztal.
Reisebüro evangtours Oberlichtenau