Leipziger Volkszeitung am 04. Dezember 2014:
Trauer um Rainer Fornahl
Leipziger SPD-Urgestein im Alter von 67 Jahren gestorben Seite 13
Leipziger SPD-Urgestein Rainer Fornahl ist tot
Ex-Bundestagsabgeordneter mit 67 Jahren gestorben - Familie und Weggefährten in tiefer Trauer
Von Anita Kecke und Mathias Orbeck
Eigentlich wollte er gestern nach Erfurt fahren, um gegen die rot-rot-grüne Koalition zu protestieren: Rainer Fornahl, der ehemalige Leipziger Bundestagsabgeordnete der SPD, ist am Mittwochmorgen überraschend im Alter von 67 Jahren gestorben. "Das kam für alle völlig unerwartet. Die ganze Familie steht unter Schock", sagte Fornahls Tochter Grit Löffert gestern der LVZ. Die 44-Jährige, die mit ihrer Familie in Frankfurt am Main lebt und dort in der Biochemie arbeitet, ist sofort nach Zwenkau gekommen, um ihrer Mutter Ingrid beizustehen.
Es passierte vorgestern am Morgen. Rainer Fornahl ging ins Bad seines neuen Hauses am Zwenkauer See und brach plötzlich zusammen. Seine Frau Ingrid (65) hörte das dumpfe Aufschlagen, fand ihren Mann leblos am Boden und verständigte sofort den Notarzt. Dieser konnte nur noch den Tod feststellen. Ob die Ursache ein Herzinfarkt oder etwas anderes war, wussten die Angehörigen gestern noch nicht. Das werde noch untersucht. Ingrid Fornahl ist völlig fassungslos. Auch Fornahls Enkeltochter, die 17-jährige Svenja, die in Frankfurt ihr Abitur macht, trauert "um den besten Opa der Welt".
Obwohl er ein stadtbekannter Politiker war, hat er nie viel Aufhebens um seine Person gemacht. Für ihn gehe es um die Sache, unterstrich er stets. Er war keiner, der sich versteckte, wenn es schwierig wurde. Fornahl stand für klare Haltung und klare Worte, auch wenn es Parteifreunde betraf. Am Dienstag hat Fornahl gemeinsam mit Gunter Weißgerber, ebenfalls Ex-Bundestagsabgeordneter, vor der Universität demonstriert, weil beim Festakt zur Grundsteinlegung des Paulineraltars Leipziger abgewiesen wurden. "Das Paulinum ist ein öffentlicher Raum. Ich verstehe nicht, warum nicht alle bei dieser Zeremonie dabei sein können", sagte Fornahl am Rande der Grundsteinlegung. Es war der letzte öffentliche Auftritt in einem Politikerleben, das erst mit der Friedlichen Revolution begann.
Der Geophysiker, am 10. Mai 1947 in Collmen bei Colditz geboren und seit 1953 in Leipzig beheimatet, kam 1990 das erste Mal in seinem Leben ins Neue Rathaus. "Und dann wurde ich auch noch Fraktionschef - obwohl ich das gar nicht angestrebt hatte", erinnerte er sich einst in einem LVZ-Interview. Die Mehrzahl der damals 45 SPD-Abgeordneten (die erste frei gewählte Stadtverordnetenversammlung hatte 128 Mandate) wollte es aber so. Als Chef der Mehrheitsfraktion wurde der immer pflichtbewusst und umsichtig wirkende Fornahl zum engsten Verbündeten des damaligen Oberbürgermeisters Hinrich Lehmann-Grube. Und setzte in der Aufbauphase mit ihm gemeinsam auf ein Politikmodell ohne Fraktionszwang und mit wechselnden Mehrheiten.
In die Politik kam Fornahl, der beim volkseigenen Betrieb Geophysik arbeitete, über das Neue Forum. Am 7. November 1989 gehörte er zu jenen, die in der Reformierten Kirche am Tröndlinring die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP) gründeten. Bis 1998 leitete er die Stadtratsfraktion, bevor er in den Deutschen Bundestag einzog. Dreimal holte Fornahl ein Direktmandat und konnte durch beharrliches Wirken gemeinsam mit seinem Freund Gunter Weißgerber Bedeutsames für seine Heimatstadt erreichen. Der Umzug des Bundesverwaltungsgerichtes an die Pleiße, die Ansiedlung des Biomasseforschungszentrums oder der Ausbau des Autobahnringes um Leipzig sind dafür Stichworte. 2009 zog er sich aus Berlin zurück - engagierte sich aber weiter, etwa für den Bau des Freiheits- und Einheitsdenkmals. Und war enttäuscht, dass eine Mehrheit in Leipzig dies ablehnte. Er mischte sich weiter ein für seine Überzeugungen: So nahm der eher dem rechten Flügel angehörende Sozialdemokrat auch kein Blatt vor den Mund, als er hörte, dass sein Weggefährte Wolfgang Tiefensee in Erfurt Wirtschaftsminister werden soll. "Ich finde es abstrus, dass in Thüringen eine Regierung unter einem Linken Realität werden soll. Jeder aufrechte Sozialdemokrat sollte davon die Finger lassen", sagte Fornahl vor wenigen Tagen der LVZ.
Weißgerber kämpfte gestern mit den Tränen, als er von Fornahls Familie von dessen Tod erfuhr. "Er war immer ein ganz treuer Weggefährte, ein aufrechter Sozialdemokrat, sein Tod tut mir furchtbar weh, ich trauere mit seiner Familie." Auch in der Partei ist die Trauer groß. "Mit ihm verlieren wir einen kritischen Geist und treuen Sozialdemokraten. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Angehörigen", betonte Sachsens SPD-Chef Martin Dulig. Die Leipziger SPD verliere "einen geradlinigen Charakterkopf, der die Politik in und für Leipzig seit 1990 maßgeblich geprägt hat", sagte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD).
1993: Rainer Fornahl als Fraktionschef in der SPD-Geschäftsstelle im Rathaus. Fotos(2): André Kempner
2013: Fornahl (rechts) unterstützt OBM Burkhard Jung (Mitte) beim Wahlkampf - ebenso wie der damalige SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier.
2007: Der Jubilar feiert im Schreberheim mit Ehefrau Ingrid und vielen Gästen seinen 60. Geburtstag.
Fotos (3): Wolfgang Zeyen
2003: Rainer Fornahl an der Basis beim Belegen von Hamburgern im Hauptbahnhof-McDonalds.
2002: Gunter Weißgerber (links) und Rainer Fornahl (rechts) gewinnen für die SPD je ein Direktmandat für den Deutschen Bundestag. Parteifreunde und Anhänger gratulieren im Rathaus mit Blumen.